段英梅 · Yingmei Duan

Kommentar zu “26 days in OKS”

Vor dem Fenster ein weißes Tuch, das den Raum in sanftem, milchigen Licht erscheinen lässt. In der Mitte steht die Künstlerin in einem geblümten weißen Sommerkleid. Um sie herum schweben gefaltete Papierboote in der Luft. Sie hält die Augen geschlossen und wiegt ihren Körper in gleichmäßigem Takt unaufhörlich von rechts nach links und zurück, als wäre sie in Trance.

Yingmei Duan inszenierte in ihren 26 Performances surreale Traumbilder, die Fragmente der Erinnerung aufgreifen und stimmungsvoll in Szene setzen. Es sind Aspekte ihres alltäglichen Lebens: Ängste, Sehnsüchte, Erfahrungen. Oft ist sie selbst als Schlafende zu sehen, während arrangierte Elemente in ihrer Umgebung wie Teile eines Puzzles Hinweise geben. Der Zuschauer kann in die Traumwelt der Künstlerin eindringen und wird gleichzeitig mit ganz persönlichen Wunsch- aber auch Angstvorstellungen konfrontiert.

In der Performance-Kunst sind Authentizität und Unmittelbarkeit entscheidende Faktoren, die jedoch nur für die Dauer der Darbietung aufrechterhalten werden können. Der Zuschauer kann selbst aktiv werden, indem er sich zu der dargebotenen Performance verhält, Reaktionen zeigt und manchmal sogar in direkten Kontakt mit dem Künstler / der Künstlerin tritt.

Aus diesem Grund ist die Dokumentation von Performances problematisch und muss eher als Relikt von etwas Dagewesenem betrachtet werden. Sie ersetzt keineswegs den Moment der Präsentation und kann dessen Wirkung kaum analog wiedergeben. Die Arbeiten von Performancekünstlern werden somit meist anlässlich verschiedenster künstlerischer Veranstaltungen und Festivals gezeigt. Performances werden dort als dynamisch, lebendige Ereignisse präsentiert. Als Wechselspiel von künstlerischer Aktion und Publikumsreaktion lebt die Performance von Wandel und Bewegung. Der prozesshafte Charakter, der jeder Kunst zugrunde liegt, tritt hier für das Publikum sichtbar zu Tage.

Diese Besonderheit ist für die Künstlerin Yingmei Duan Ausgangspunkt und Philosophie ihres Schaffens. Sie betrachtet ihr Werk als unstete Ansammlung von Ideen, die ständig verändert werden können, die von neuem bearbeitet werden und immer wieder neue Lösungen hervorbringen.

Das Anliegen, dies für den Zuschauer sichtbar zu machen, führte zu der Idee einer konzeptuell angelegten Ausstellung. Die Künstlerin wurde gebeten, ihr Werk einen Monat lang in der OKS Galerie Braunschweig einer Öffentlichkeit präsentieren. Sie nahm dies zum Anlass, nicht nur Live-Performances zu zeigen, ihr künstlerische Schaffen als ständige Auseinandersetzung mit Ideen und fortwährende Konzeptproduktion offen zu legen.

Täglich zeigte Yingmei Duan eine einstündige Performance. Die Konzepte für diese 26 Performances skizzierte sie zuvor auf eine 60m lange Papierrolle. Die Zeichnungen und Notizen verkleideten alle Wände und bildeten so ein umschließendes Band um die Ausstellung. Jeden Tag schaute sie sich die Papiere an und überarbeitete ihre Konzepte, strich etwas durch oder fügte Anmerkungen hinzu. Auf diese Weise bekam das Publikum nicht nur einen Eindruck von dem vorerst fertigen Werk sondern auch einen direkten Einblick in die Vorgehensweise der Künstlerin.

Zusätzlich wurde das Spektrum durch eine Videodokumentation erweitert. Im Ausstellungsraum war eine Kamera angebracht, die die laufende Performance aufzeichnete. Beim Betreten der Galerie fand das Publikum zunächst einen Bildschirm vor, der diese Aufnahmen zeigte. Gelangte es daraufhin in den Ausstellungsraum, konnte es das Ereignis live miterleben und sich von dessen Wirkung überzeugen. Die Performances wurden täglich zur selben Zeit gezeigt, so dass sich eine besondere Regelmäßigkeit bezüglich der Besucher ergab. Sie konnten in einer Art Gästebuch ihre spontanen Eindrücke mitteilen.

Die einzelnen Elemente erweiterten das Projekt zu einer Rauminstallation, in der die Performance selbst nur ein Teil des Ganzen war. Das Gesamtkonzept wurde zum eigentlichen Kunstwerk in welches sich die 26 Performances integrierten. Yingmei Duan hat hier eine Präsentation konzipiert, die von konventionellen Kunstausstellungen ebenso abweicht, wie von der gängigen Aufführung einer Performance.

Melanie Martin