段英梅 · Yingmei Duan

Kommentar zu „Performance-Painting / Yingmei Duan“

Sarah Pfingsten

Doppel Dialog: Male das Unmalbare

Performance-Painting, ein Forschungsprojekt

Auf einer Leinwand sehe ich eine grüne Wiese mit vielen gelben, nackten Männchen. Ihre Beine versinken im Gras. Das grün und gelb des Bildes wirken erfrischend und erinnern an Frühling. Zwischen diesen Männchen gibt es im Vordergrund eine kleine Figur, in einem roten Kleid. Sie hält eine große Lupe in der Hand und streift suchend durch die Wiese zwischen den gelben Männchen hindurch. Es scheint ein warmer Frühlingstag zu sein, Vögel fliegen über der Wiese entlang. Unaufhaltsam und unerlässlich wandert das Mädchen durch den Wald aus gelben Männchen. Diese sehen auf den ersten Blick alle gleich aus und doch muss dort noch etwas sein, das dem Betrachter zunächst verborgen bleibt. So sorgfältig wie eine Naturforscherin sucht sie jeden Quadratmeter der Wiese ab.

Das Bild stellt die Interpretation einer Performance der Künstlerin selbst dar. Die Arbeit „Friend“ ist im Jahr 2003 entstanden. Hier sehen wir Yingmei Duan in einem roten Sommerkleid mit weißen Turnschuhen, einer großen Brille und einer Lupe in der Hand durch einen kahlen Raum, der anscheinend leer ist, gehen. Sie macht kleine vorsichtige Schritte, damit sie bloß nichts übersieht. Nach einer Weile erscheint ein nackter Mann im Bild, der mit der Lupe genau erforscht wird. Die Erforschung des Menschen an sich steht schon seit geraumer Zeit ganz oben auf Yingmeis To-Do-Liste.

Die Künstlerin erforscht neue Möglichkeiten des Ausdrucks und der Darstellungsart. In ihrem jüngsten Projekt „Performance-Painting“ verbindet sie die Medien Performance und Malerei miteinander. Sie interpretiert Performances anderer Künstler mit den Mitteln der Malerei. Die Malerei selbst wurde hierbei zu einer Performance. Es entstand eine Reihe von Bildern, in denen sich Yingmei Duan mit der Darstellbarkeit von ereignisreicher Kunst auseinandersetzt.

Bevor sie jedoch angefangen hat an dem Themenfeld der Synthese verschiedener Medien zu arbeiten studierte sie in China mehrere Jahre Malerei. Mit dem Beginn ihres Studiums in Deutschland nahm die Performance-Kunst ihre Aufmerksamkeit ein. Nach ihrem Diplom und Meisterschüler Abschluss, bei Marina Abramovi, Christoph Schlingensief und Birgit Hein steht nun die Erforschung dieser beiden unterschiedlichen Medien im Mittelpunkt ihrer Arbeit. Ein weiterer Schritt in ihrer Forschungsreihe, zu deren Entwicklung auch die Zusammenarbeit mit den Kunstwissenschaften steht.

Für dieses Projekt haben ca. 30 Künstler, die von Yingmei Duan ausgewählt wurden, ihre Performances zur Verfügung gestellt. Die meisten der Künstler kennt sie persönlich und hat viele der Performances miterlebt. Ihre Arbeiten wurden in einem Zeitraum von einem Monat in der Galerie malerisch interpretiert und die weißen Leinwände mit Leben erfüllt. Die Auswahl der Performances umfasst die gesamte Bandbreite wichtiger Themen. An dieser Stelle werde ich nur auf einige Arbeiten der Performance-Installation eingehen können.

Zu einer Art existentialistische Künstler zähle ich Teching Hsieh und Zhu Ming. Ersterer ist bekannt für seine Ein-Jahre-Performances, in denen er sich z. B. ein ganzes Jahr lang draußen aufgehalten hat, ein Jahr lang an eine andere Person gekettet war oder ein Jahr lang jede Stunde des Tages eine Stempeluhr betätigt hat. Diese starken und einnehmenden Performances wurden von Yingmei in kräftigen Bildern interpretiert. Es entstand eine Reihe von vier Bildern. Die Interpretation der Performance, wo der Künstler ein ganzes Jahr draußen war, zeigt eine dunkle und schwere Häuserreihe im Hintergrund und einzelne blaue Figuren im Vordergrund. Es scheint, als wenn sich dieselbe Person an verschiedenen Orten zugleich befindet. Jeder Ort ist ihnen recht, außer dort, wo man beschützt ist. Ein weiteres Bild aus der Reihe zeigt eine einsame Person auf einem schwebenden Grund stehend, umgeben von Uhren, die alle eine andere Zeit anzeigen. Dies ist die Interpretation der Stempel- Uhr- Performance, in der der Künstler zu jeder Stunde des Tages gestempelt hat. Das Unfassbare dieser Aktion sehen wir in der Melancholie und Einsamkeit der Person in der Mitte des Bildes. Der weiße Hintergrund verstärkt den Kontrast und somit die Wirkung.

Mingzhu ist in de Performance „District without name“ (2003) solange durch einen Waldgebiet in China (Guizhou) gewandert, bis er einen anderen Menschen getroffen hat. Er ging die ganze Zeit über in eine Richtung, an einem Fluss entlang und hatte nur die notwendigsten Utensilien bei sich. Ganz auf sich allein gestellt wurde er während der Wanderung zu einem Teil der Natur. Auf dem Bild von Yingmei sehen wir schwarze, büschelartige Bäume auf zwei Leinwänden verteilt und einen grau, grün, blauen Grund zwischen ihnen. Von links unten nach rechts oben zieht sich ein bläulicher Weg, auf dem eine dunkelrote Person wandert. Aufgrund der Malweise und Komposition fällt diese Person auf den ersten Blick gar nicht auf. Alleine zwischen einem Meer aus Bäumen.

Eine andere sehr interessante Arbeit ist von Oliver Blomeier. In seiner Arbeit „work equals force times distance“ fährt er mit dem Fahrrad nach Mailand und fotografiert Nahrungsmittel, die er dann in einer Installation mit einem Diaprojektor auf einem Fahrrad montiert ausgestellt hat. Die Dias konnte man sich nur anschauen, wenn man sich auf das Rad gesetzt hat und in die Pedale getreten hat. Als Ergebnis der malerischen Auseinandersetzung sehen wir eine Person, die andächtig eine Schale mit Nahrung in den Händen hält, den Kopf gesenkt und die Augen geschlossen. Der große Kopf der Person, ohne Hals auf den Körper gesetzt, verstärkt den Ausdruck und somit die Dankbarkeit für das Essen. Im Hintergrund sehen wir einen unruhigen Nachthimmel mit ein paar Sternen, der eine Verbindung zur Natur darstellt und den Kreis zur Performance schließt.

Eine weitere wichtige Arbeit ist bei der Auseinandersetzung mit einer Performance-Aktion von Christoph Schlingensief entstanden. In der Theater-Ausstellung „Area 7““ werden Räume rund um den Animatographen aufgebaut. Dreckige Toiletten und alte Hotelzimmer, des Weiteren werden Themen wie Religion, Politik und andere gesellschaftliche Entwicklungen aufgegriffen. Diese Installation strotzt vor provokativen Elementen und wird durch begleitende Performances, auch anderer Künstler, unterstützt. Yingmeis Ergebnis zeigt auf einem Leinwand- Triptychon, das in sehr dunklen Farben gehalten ist, im Vordergrund Wasser oder Meer und dahinter viele Menschen. Auf dem dritten Bild in der oberen rechten Ecke gibt es drei Personen die neugierig und böse das gesamte Geschehen beobachten. Das Bild wird von dunklen Linien überschattet und lässt viele Formen im Unklaren. Zwischen Abstraktion und figürlicher Malerei erkennen wir einzelne Köpfe und Körper. Die provokative Ebene der Performance von Christoph Schlingensief konnte nicht nur durch die an einen Alptraum erinnernden Elemente sichtbar werden, sondern mit der Gesamtwirkung des Triptychons verstärkt erzeugt werden.

Mit diesen und vielen anderen Arbeiten hat sich Yingmei Duan intensiv auseinandergesetzt. Am Anfang ihres Arbeitsprozesses stand das Verständnis jeder der Performances um ihr Vorhaben entsprechend umsetzen zu können. Gewisse Fragen blieben stets im Hinterkopf: Ist jede Performance „malbar“? Was ist figürlich darstellbar? Wo ist die Grenze zur Abstraktion?

Zwei Arbeiten, die sich auf dieser Schwelle befinden sind „Relic-Lounge“ von Johannes Schröder und einer Performance im Zusammenhang der Gruppe Exterra XX von Verena Kyselka, begonnen im Jahr 1988. Erstere fand 2006 auf dem Performance Festival in Salzau statt (von Alexandra Gneissl veranstaltet). In der „Relic- Lounge“ wurde durch eine Architektur aus zusammengeleimten Arbeitsnotizen ein Ort des Verweilens und Austausches geschaffen. „Ein Schrein mit Knochen aus Texten über Performance Art“ (Johannes Lothar Schröder), der Raum zur Diskussion bietet. Mit einem Gast, René Schmalz (Performer) wurde die Kommunikation angeregt. Die aufgestellten Architekturelemente sind so angeordnet, dass sie nicht einengend wirken und den Gedanken Raum lassen. In der Interpretation von Yingmei sieht man eine Leinwand, die mit chaotisch angeordneten Worten und Satzfetzen beschrieben ist, z. B. Schwerpunkt, Notizen, Performer, Diskussion, Architektur, Installation u.s.w. Viele Fragezeichen tauchen zwischen ihnen auf. In der oberen Hälfte befindet sich eine Figur, die eine Lupe in der Hand hält. Sie steht auf einem Podest unter dem sich tragende Figuren befinden, diese sind aus der griechischen Architektur als Kariatiden bekannt. Am rechten Rand des Bildes gibt es ein Regal, in dem einzelne Knochen liegen. Der Hintergrund ist weiß geblieben, die Schriftzüge und Figuren in schwarz und dunkelgrün. Es gibt keinen wirklichen Vorder- oder Hintergrund das Bild scheint sehr einfach in der Malweise, die Figuren zeichenhaft abgebildet und doch oder gerade deswegen ist das Bild geeignet für diese Performance. Eine Performance in der geforscht wurde und eine gemalte Interpretation, in der ebenfalls geforscht wurde.

In der zweiten von mir in diesem Zusammenhang genannten Performance, von Verena Kysleka, spielt die Künstlerin Geige und lässt sich bei einer improvisatorischen Spielweise von ihrer Umgebung inspirieren. Geräusche, Stimmen, Bewegung und die Architektur der Räume beeinflussen ihre Spielweise. Der zweite Part dieser Performance beinhaltet das Action-Painting, in dem sie die Klänge der Violine auf eine Leinwand bringt. Das Ergebnis von Yingmeis Interpretationsprozess zeigt eine Leinwand mit einzelnen Linien in verschiednen Farben und Verläufen gemalt. Auf den ersten Blick erscheint diese Malweise sehr kindlich, aber wenn man genau darüber nachdenkt, dann wird einem klar, weshalb es so werden musste oder konnte. Die Performance hat die Darstellung einer abstrakten Aktion selbst zum Inhalt. Die Verbildlichung von Musik in der Performance wird nun in auf einer weiteren Ebene auf der Leinwand einer anderen Künstlerin, interpretiert.

Die Ergebnisse sind generell sehr erstaunlich. Mit einer sehr ausdrucksstarken Malweise erarbeitet Yingmei diese. Skizzen im Vorfeld erleichterten ihr die Ausdrucksfindung, des Weiteren waren Gespräche über die Performances und ihre Bilder während des Arbeitsprozesses ebenfalls ein wichtiger Teil dieses Projekts. Die Kommunikation mit anderen Künstlern und Wissenschaftlern steht auch hier im Vordergrund. Ihre manchmal zunächst naiv erscheinende Malweise entpuppt sich als ausgefeilte Technik um die gewünschte Wirkung zu erzielen.