Little secret

Little secret

Duration:

1-2 Stunden
Hochschule der Bildenden Künste, Braunschweig, Deutschland, 2003
Mediamatic, Amsterdam, Niederlande, 2004

Photographer:

Viola Yesiltac

Live performance

In meinem bisherigen Leben habe ich insgesamt acht Kaninchen, neun Hunde und zwei Lämmer gehalten. Immer, wenn ich Zeit hatte, habe ich mit ihnen gesprochen.

Ich trage ein mädchenhaftes Kleid. In meinen Händen halte ich ein kleines weißes Kaninchen und spreche Chinesisch mit ihm. Die Situation strahlt Ruhe und Geborgenheit aus.

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In einem geblümten Sommerkleid und weißen Sandalen an den Füßen steht die Künstlerin im Raum, auf ihrem Arm hält sie ein 6 Wochen altes, weißes Kaninchen. Leise redet Sie mit dem Tier, doch das Publikum versteht nicht, was sie zu ihm sagt. Allein bei längerem Zuhören wird klar, dass sich das Gesprochene ständig wiederholt.

Die Performance „Little Secret“ von Yingmei Duan erweckt beim Publikum sogleich Sympathie und Aufmerksamkeit. Rasch werden in jedem Erinnerungen aus Kindertagen lebendig: Die Erscheinung eines geheimnisvollen Zauberers, oder das kleine Mädchen Alice, das dem weißen Kaninchen in seinen Bau folgt und sich schließlich in einer märchenhaften Fantasiewelt wieder findet. Fast scheint es, als sei die Künstlerin selbst soeben aus Wunderland zurückgekehrt. Sie spricht in einer fremden Sprache mit dem Kaninchen, erzählt ihr die Geheimnisse, die sie in der anderen Welt erlebt und erfahren hat. Was sie erzählt verbindet Kaninchen und Künstlerin, doch dem Publikum bleibt es ein Rätsel.

Auch Joseph Beuys ließ bei einer Ausstellung von1965 das Publikum nicht an seinen Ausführungen über die Bilder teilhaben. In der Aktion „Wie man dem toten Hasen die Bilder erklärt“ war eben solch ein Tier der Gesprächspartner des Künstlers.

Beuys hatte damals in einem vom Publikum abgetrennten Raum einen toten Hasen herumgetragen und ihm die ausgestellten Bilder gezeigt. Yingmei Duan lässt nun in ihrer Performance den Beuysschen Hasen wiederauferstehen. 

Schon im Christentum ist der Hase ein Symbol der Auferstehung und dieser Aspekt findet sich auch bei Beuys. Er trug, während er mit dem toten Hasen sprach, eine Maske aus Blattgold und Honig. Dem Honig wird in der germanischen und indischen Mythologie regenerierende und wiederbelebende Wirkung zugesprochen. Beide Künstler thematisieren in ihren trotz allem sehr verschiedenen Performances die Entfernung vom Leben und schließlich die unweigerliche Rückkehr in die Realität mit einem verändertem Bewusstsein.

Beuys erklärte später in einem Interview, dass er nicht mit den Leuten über die Bilder sprechen wollte. Bei Beuys wie auch bei Yingmei Duan ist der Hase Bezugsfigur und Partner des Künstlers / der Künstlerin. Das Kaninchen hilft dem Menschen, aus der nüchternen Realität des Alltags zu entfliehen.

Melanie Martin